Wer glaubt, dass er in Sachen mittelalterliche Märkte schon alles kennt und gesehen hat, der sollte (zumindest alle zwei Jahre) einmal im Sommer ins hessische Büdingen fahren. Fantastische Eindrücke bot auch das fünfte Büdinger Mittelalterfest, das vom 08. - 10. Juli 2011 in der historischen Altstadt mit einer der besterhaltenen Stadtanlagen Europas veranstaltet wurde. Unter dem Motto "500 Jahre Festung(s)-Kunst" wurde ein umfangreiches Markttreiben geboten. 

 
Mittelalterfest in Büdingen

Festumzug

Mittelalterfest vor historischer Kulisse

Festumzug mit "Danze Liut"

Praktisch auf jeder Gasse und auf jedem Platz fanden sich Händler- und Handwerkerstände. Auf mehreren Bühnenarealen im Stadtgebiet wurden abwechslungsreiche Programmpunkte präsentiert. Hinter jeder Ecke verbargen sich neue Attraktionen. Überall konnte man auf Gaukler und Artisten treffen, die das einheimische und das zugereiste Volk an drei Tagen auf das Beste unterhielten. Zahlreiche Gewandete trugen ihren Teil zum stimmungsvollen Ambiente bei. Das bunte Treiben wurde an den beiden Haupttagen jeweils mit einem Festzug durch die mittelalterlichen Fachwerkgassen eingeleitet, so dass die Besucher dabei schon mal einen ersten Blick auf die große Zahl der Beteiligten erhaschen konnten.

 

Ritter-Deko

Dudelsack-Power mit Defrenata

Ritter-Deko

Dudelsack-Power mit "Defrenata"

Markthändler boten allerlei mittelalterliche Waren an ihren Ständen an. Zwischen dem Marktbereich und den Läden der einheimischen Geschäftsleute, die sich rege am Mittelalterfest beteiligten, traten keinerlei Stilbrüche, wie sie bei anderen Mittelalter-Events häufiger vorkommen, auf. Auch die örtliche Gatronomie hatte sich gut in den Festbetrieb integriert. Überall fanden sich geschmackvolle Dekorationen an Ständen, Läden, Lokalen und Gebäuden, die zur Festatmosphäre nicht unwesentlich beitrugen. Die Besucher konnten an Buden und Ständen u. a. Gewandungen und Rüstungen in verschiedenen Stilrichtungen erwerben. Holzspielwaren waren ebenso begehrt wie die Objekte aus dem Bereich Glas- und Metallkunst. Lederwaren, Trinkhörner und sonstiger mittelalterlicher Zierrat waren natürlich auch im Angebot. Kräuterfrauen boten allerlei bunte und würzige Mischungen an. Speziellere Dienstleistungen wurden von Badern und Masseuren sowie Wahrsagerinnen und sogar veritablen Hexen, wie etwa "Lamia" aus Hanau, offeriert.

 

Ein großer Handwerkermarkt präsentierte traditionelle Techniken aus den Bereichen Holzbearbeitung, Weberei, Filzen, Drechseln oder Schuhherstellung. Teilweise bestand für die Gäste die Möglichkeit, hier - unter kundiger Anleitung - auch einmal selbst Hand anzulegen. Ein Viehmarkt auf dem an den Mauern gelegenen Altstadtparkplatz lockte mit verschieden Tieren aus dem bäuerlichen Umfeld die Schaulustigen an. Hier wurden Exemplare alter und gefährdeter Haustierrassen aus dem ländlichen Raum präsentiert. Auf dem Platz selbst konnten die Kinder beim Ponyreiten ihre Runden drehen. Eine Ausstellung mit verschiedenen Greifvögeln von der Falknerei Anderswelt – u. a. mit einem eindrucksvollen Truthahngeier mit seinem leuchtend roten Kopf – rundete das Angebot ab.

 

Harfenklänge und Kontaktjonglage

Glücksspiel mit Heldenmaus Tristan

Harfenklänge und Kontaktjonglage

Glücksspiel mit Heldenmaus Tristan

Ein absolutes Highlight bildete das umfangreiche Kulturprogramm während der drei Festtage. Im musikalischen Bereich traten unterschiedliche Gruppen und Solokünstler mit historischen Instrumenten, wie Harfen, Trommeln, Lauten oder Sackpfeifen, auf den Plan, so dass wohl für jeden Geschmack etwas dabei gewesen sein dürfte. Fantastisch-meditative Augenblicke ergaben sich als die Kontaktjonglage-Künstlerin Kerry Balder den Auftritt der Harfenistin Felicitas – passend zu den keltischen Saiten-Klängen – mit ihren anspruchsvollen Balance-Akten begleitete. Eher ruhiger waren auch die Musiker von "Silberschatten" unterwegs. Wer dagegen mehr auf handfeste "Dudelsack-Power" stand, konnte mit der Gruppe Defrenata oder den Spielleuten von "Liudon Incorruptus" aus Reichelsheim auf seine Kosten kommen. Wenn es der enge Zeitplan erlaubte, konnte man mit den Künstlerinnen und Künstlern sogar locker ins Gespräch kommen.

 

Bei den anspruchsvollen Volkstanzvorführungen der einheimischen "Danze Liut", die auch schon den ein oder anderen mittelalterlichen Markt in der Rhein-Main-Region bereichern konnten, wurden mehr oder weniger "Freiwillige" aus dem Publikum in den verschlungenen Reigen bretonischer oder die Sprungfolgen anderer historischer Tänze einbezogen. Exotischere Tanzformen bot dagegen die Tribal Style-Dancegruppe "Javahir" aus dem benachbarten Bergwinkel in ihren morgenländisch anmutenden Kostümen.

 

Kamele in der Altstadt

Exotische Tänzerinnen

Kamele in der Altstadt

Exotische Tänzerinnen

Die kleineren Besucherinnen und Besucher konnten sich an den humorigen und akrobatischen Vorführungen der verschiedenen Gaukler wie etwa "Schabernack" oder des Zauberers "Gutelli" mit seinen raffinierten Tricks erfreuen. Außerdem wurden für sie im ganzen Festbereich zahlreiche kindgerechte Aufführungen, Marionettentheater und Mitmach-Programme angeboten. Viel Spaß bereitete auch das Mäuse-Roulette, bei dem die Mitspieler bei Bianca "ihre gesamte Haushaltskasse" darauf setzen konnten in welches Haus der tapfere Mäuserich "Sir Tristan", der sogar schon riesige "Drachen am Schwanz gekitzelt hat", verschwinden würde.

 

Für die kulinarischen Bedürfnisse und das leibliche Wohl der Festbesucher war an allen Veranstaltungsstätten bestens gesorgt. Die Düfte von Gebratenem oder Gegrilltem machten Appetit auf Ritterwürste, Wildschwein-Fleischkäse oder ähnliche deftige Spezialitäten. Wer mehr auf etwas Süßes stand, konnte seinen Hunger beispielsweise mit Apfelkringeln oder anderen Spezereien stillen. Verschiedene Tavernen und Getränkestände boten das allseits beliebte Metbier oder auch keltisches Gebräu auf Basis von Bio-Getreidesorten.

 

Überall herrschte eine fröhlich ausgelassene Stimmung, die bei vorwiegend angenehmem Wetter auch durch ein paar Wolken und vereinzelte Regentropfen nicht nachhaltig getrübt werden konnte. Der verantwortliche Förderverein "Lebendiges Mittelalter e. V." in Büdingen hat wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Besonders positiv anzumerken ist, dass sich die gesamte Altstadt, während der Festtage vollständig autofrei präsentierte. Schön wäre es, wenn künftig vielleicht die Abreise auch am späteren Abend mit dem öffentlichen Nahverkehr – etwa durch den Einsatz zusätzlicher Busse in Richtung Bahnhof Gelnhausen – noch etwas verbessert werden könnte. Dann hätten vielleicht auch Nicht-Autofahrer die Möglichkeit, das abschließende Feuerspektakel problemlos zu genießen. Außerdem sollte man es noch irgendwie arrangieren, dass diejenigen Gäste, die einer Vorführung auf einer der kleineren Bühnen im Stadtgebiet zuschauen oder lauschen wollen, zwischenzeitlich nicht mit den vorüberziehenden Passanten kollidieren, was sicherlich auch für die auftretenden Künstlerinnen und Künstler angenehmer wäre.

 

 

Kein Wunder, dass das Büdinger Mittelalterfest längst über die Region hinaus einen besonders guten Ruf genießt. Bedauerlich mag nur erscheinen, dass das dieses ganz besondere Ereignis nur alle zwei Jahre stattfindet. Andererseits bietet dieser Turnus, den zahlreichen engagierten Mitwirkenden und Veranstaltern die Gelegenheit, sich von den sicherlich nicht geringen Anstrengungen der diesjährigen Festorganisation zu erholen und die nächste Veranstaltung zum Festjubiläum im Jahr 2013, in dem der Mittelalterverein sein zehnjähriges Bestehen begehen kann, besonders sorgfältig und intensiv vorzubereiten, so dass dann ein mindestens ebenso tolles Festprogramm wie in diesem Sommer präsentiert wird.

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